Politik im Klassenzimmer. "Nichts anmerken lassen", sagt ein Parteifreund.

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Hard - In der 4k wird seit Schulbeginn politische Bildung unterrichtet. Wie, das erfuhr derStandard.at bei einem Besuch. Betritt man das Schulgebäude am Ortsrand von Hard, kommen leise Zweifel. Hier soll Innovatives passieren? Die Räumlichkeiten scheinen seit Jahrzehnten unverändert. Die Mittelweiherburg ist renovierungsbedürftig, hat schon bessere Zeiten gesehen. "Abgewohnt", würde man bei einem Wohnhaus sagen.

Die Versäumnisse des Schulerhalters macht das engagierte Team, 30 Lehrende für rund 250 Schülerinnen und Schüler, wett.  "MS Mittelweiherburg, das ist ein Schiff auf neuem Kurs", sagt Direktor Christian Höpperger. Früher war die Mittelweiherburg eine Hauptschule mit Kreativzweig, in den es nur wenige schafften. Eine elitäre Sache. Heute soll, so das Credo Höppergers, jedes Kind die gleichen Chancen haben. Man will die Vielfalt fördern, die individuellen Begabungen. Kinder aller sozialen Schichten gehen hier zur Schule.

Fächerübergreifende Projekte, Teamteaching, kleine Klassen, selbstständiges Lernen sind längst Schulalltag. Und weil die Kinder lernen sollten, wie man sich für seine Anliegen starkmacht, für die Allgemeinheit einsetzt, wird Politik nicht nur unterrichtet. "Mittelfristig wollen wir demokratische Strukturen, ein Schulparlament, schaffen", skizziert Höpperger eine der Visionen.

Sich einsetzen

Den Beginn macht die 4k. Hier ist bereits Realität, was Schülervertreter immer wieder einfordern: Politische Bildung wird als eigenständiges Unterrichtsfach geführt. Die 13- und 14-Jährigen setzen sich mit dem Thema Politik auseinander. "Testpilot" nennt sich Andrea Leissing, die Geschichte- und Englisch-Lehrerin.

Ihr Copilotinnen und -piloten finden das neue  Fach so cool, dass sie gerne mehr davon hätten. "Zwei Stunden pro Woche könnten es ruhig sein", sagt Anna-Lena. Warum das Fach so wichtig ist, erklärt Sandra: "Bei Aufnahmeprüfungen werden oft Fragen zu Politik gestellt, da ist das Fach eine gute Vorbereitung."  Im Geschichtsunterricht komme politische Bildung zu kurz, weiß Christopher. "Jetzt wissen wir endlich, worüber unsere Eltern reden", bringt Anna-Lena ein weiteres Argument pro politische Bildung. Aktuelles Zeitgeschehen interessiere ihre Klasse brennend, sagt Andrea Leissing. Nicht innerösterreichisches Parteiengezänk, sondern Weltpolitik. Wie: "Was passiert da in Syrien?"

Keine langweilige Theorie

Von grauer Theorie hält Andrea Leissing wenig. Sie lässt ihre Schülerinnen und Schüler Politik erleben. "Ich gründe eine Partei", lautet die Aufgabe. derStandard.at war bei der Präsentation der neuen Gruppierungen Publikum. Das SVT (Schülervertretungsteam), die OFS (Organisation für die Schüler) und die SVH (Schülerverteidigung Hard) präsentieren sich mit Plakaten und Slogans und haben ihre Programme auf Moderationskarten zusammengefasst. Sie treten als Teams auf. Die SSP, die Schul-Sozial-Partei, ein Zweierteam, hat eine Powerpoint-Präsentation erstellt.

Die Inhalte der vier Parteiprogramme ähneln einander sehr, spiegeln den Schulalltag wider. Gesunde Jause, neue Schulmöbel, neue und saubere WC-Anlagen werden gefordert. Im Gegensatz zur Politwirklichkeit haben die Kids für ihre Wünsche Bedeckungsvorschläge, wie echte Politiker sagen würden."Das Ding da, wie heißt das?", "Budget?", fragt die Lehrerin. "Genau das Budget", sagt der Jungpolitiker, das müsse man erarbeiten. Und zwar, da sind sich alle Parteien einig, durch Schulveranstaltungen.

Konzerte, Theater, Verkaufsstände sollen Geld in die Schulkasse bringen. Und: "Die Schüler sollen sich ändern."  Das sagt die SSP. Und zwar müsse man den Schülern erklären, dass viele Probleme von ihnen verursacht würden. "Warum soll unser armer Direktor neue WCs kaufen, wenn die eh gleich wieder verdreckt sind?"

Es gibt Lösungen

Die Kids haben konkrete Lösungsvorschläge. Etwa für schlechtere Schüler. Einen Erlass hätte die OFS gerne für Schüler, die schon mehrere Fünfer geschrieben haben. "Wie für die Legastheniker." Die Mädels von der SVT hätten gerne, dass die Großen für die Kleinen kochen, möchten mit anderen Schulen zusammenarbeiten und hätten gerne aufmunternde Musik am Morgen. Die SVH kann sich Gratisnachhilfeunterricht von guten Schülern für schwächere vorstellen. Und die SSP löst das aktuelle Problem mit den Schneeballschlachten: "Wir brauchen zwei Pausenhöfe, in einem sind Schneeballschlachten verboten."

Die Kids geben sich nach jeder Runde Feedback. Präsentation, Inhalt, Teamarbeit werden analysiert. Sachlich, ohne Untergriffe verlaufen die Diskussionen.

Parteispaltung droht

Wie eine Parodie auf eine der neuen Parlamentsparteien erscheint der letzte Teil der SSP-Präsentation. Christoph, der Ruhigere des Zweierteams, schließt die Präsentation, bedankt sich für die Aufmerksamkeit. Da setzt sein Parteifreund Mathias zu einer weiteren Rede an. Bringt neue Ideen ein. "Nicht abgesprochen, das höre ich zum ersten Mal", wendet sich Christoph ans Publikum. Mathias lässt sich nicht einbremsen, redet über Jause, Müllvermeidung, Klasse putzen. Die junge Partei scheint sich schon bei der Präsentation zu spalten. Die Lehrerin rät Christoph: "In der Öffentlichkeit darfst du dir nichts anmerken lassen." Einwand: "Aber, wenn's doch nicht ausgemacht war", versteht der Bub die Welt nicht mehr. "Nichts anmerken lassen", sagt sein Parteifreund und macht unbeirrt weiter.

Auf in den Landtag

Bei der nächsten Landtagssitzung werden sich die Harder Kinder anschauen, wie sich echte Politiker verhalten. Und dann werden sie gemeinsam Wege suchen, wie die Ideen ihrer Parteien der ganzen Schule vorgestellt werden könnten. "Gut wäre halt, wenn wir das alles auch umsetzen könnten", sagt Mathias. Ihre Lehrerin wird sie unterstützen. Und beim Direktor rennen sie offene Türen ein. Denn der ist der Meinung: "Kinder sollen lernen, dass es sich lohnt, sich beharrlich für etwas einzusetzen." Nächstes Schuljahr sollen alle Viertklässler der MS Mittelweiherburg in politischer Bildung unterrichtet werden. (Jutta Berger, derStandard.at, 9.1.2013)